From Gehen, ging, gegangen

Written in German by Jenny Erpenbeck

Add

Eine Grenze, denkt Richard, kann also auch plötzlich sichtbar werden, kann plötzlich an einem Ort erscheinen, wo sonst nie eine war was in den letzten Jahren an den Grenzen Libyens ausgefochten wurde oder an den Grenzen Marokkos oder Nigers, findet nun mitten in Berlin-Spandau statt. Wo es zuvor nur irgendein Haus, einen Bürgersteig, einen Berliner Alltag gab, wuchert plötzlich so eine Grenze, schießt ins Kraut, unvorhergesehen wie eine Krankheit.

Auf der Silvesterfeier hat ihm sein Freund Peter, während sie beide auf dem Balkon von Maries Freundin standen und in die Dunkelheit des alten Jahres blickten, die bald die Dunkelheit eines neuen Jahres sein würde, davon erzählt, dass für die Inka das Zentrum des Universums nicht ein Punkt gewesen sei, sondern eine Linie, an der die zwei Hälften des Universums aneinanderstießen. War auch das, was Richard hier am Eingang des Asylbewerberheims sah, vielleicht eine solche Linie? Waren auch die beiden Gruppen von Menschen, die sich hier gegenüberstanden, so etwas wie die zwei Hälften eines Universums, die eigentlich zusammengehörten, und deren Trennung dennoch unüberwindlich war? War der Graben zwischen ihnen tatsächlich bodenlos tief und entfesselte deshalb so heftige Turbulenzen? Und verlief er zwischen Schwarz und Weiß? Oder zwischen Arm und Reich? Oder zwischen Fremd und Freund? Oder zwischen denen, deren Väter nicht mehr am Leben waren, und denen, deren Väter noch lebten? Oder zwischen denen mit den geringelten Haaren und denen mit glatten? Oder zwischen denen, die ihr Essen Fufu nannten, und denen, die Gulasch dazu sagten? Oder zwischen denen, die gern gelbe, rote und grüne T-Shirts anzogen, und denen, die sich lieber einen Schlips umbanden? Oder zwischen denen, die gern Wasser tranken, und jenen, die Bier lieber mochten? Oder zwischen der einen Sprache und der andern? Wieviel Grenzen gab es überhaupt in einem einzigen Universum? Anders gefragt, was war die wirkliche, eine, entscheidende Grenze? Vielleicht die zwischen tot und lebendig? Die zwischen dem Sternenhimmel und dem Klumpen Erde, auf dem er täglich umherlief? Zwischen dem einen Tag und dem andern? Oder die zwischen Fröschen und Vögeln? Zwischen Wasser und Erde? Zwischen Luft, in der man Musik hörte, und Luft ohne Musik? Zwischen dem Schwarz eines Schattens und einem Grillkohlen-Schwarz? Zwischen dreiblättrigem und vierblättrigem Klee? Zwischen Fell und Schuppen? Oder millionenmal die zwischen innen und außen, wenn man jeweils einen einzigen Menschen oder ein einziges Tier oder eine einzige Pflanze als ein Universum ansah? Richard vertrug sich mit seinen Organen, hatte seinen Frieden gemacht mit dem rohen Fleisch in seinem Innern, das ihn am Leben hielt, ihn, mitsamt seinen Gedanken über Helenas Schönheit oder über die beste Art, eine Zwiebel zu schneiden.

Zieht man all diese möglichen Grenzen in Betracht, scheint Richard der Unterschied zwischen dem einen Menschen und dem anderen dagegen eigentlich lächerlich gering, und ist es vielleicht gar kein Graben, der sich hier am Eingang eines Asylbewerberheims in Berlin plötzlich auftut, und gibt es auf dieser Ebene des Universums vielleicht gar keine Verschiedenheit und keine zwei Hälften, denn immerhin geht es nur um ein paar Pigmente in dem Material, das von allen Menschen in der jeweiligen Sprache Haut genannt wird, und dann wäre die Gewalt, die sich hier gerade zeigt, durchaus nicht der Vorbote eines Sturms im Zentrum eines Universums, sondern beruhte nur auf einem absurden Missverständnis, das die Menschheit entzweit und sie davon abhält, sich klarzumachen, um wieviel länger der Atem eines Planeten im Vergleich zum Atem eines jeden von ihnen ist. Ob man Hose und Jacke aus einer Kleidersammlung am Leibe trägt, einen Markenpullover, ein teures oder ein billiges Kleid oder eine Uniform plus Helm und Visier, ist man darunter doch immer nackt, und wird sich, wenn es gut geht, vielleicht ein paarmal an der Sonne gefreut haben oder am Wind, am Schnee oder am Wasser, wird vielleicht das eine oder andere Gute gegessen oder getrunken haben, wird vielleicht irgend jemanden geliebt haben und vielleicht wiedergeliebt worden sein, bevor man stirbt. Was in der Welt wächst und fließt, reicht längst schon für alle, und dennoch findet hier, das sieht Richard an den zwanzig Mannschaftswagen, offenbar ein Überlebenskampf statt. Sollte die Polizei hier tatsächlich für diejenigen Deutschen im Einsatz sein, die so arm sind, dass sie zum Fest nur gestohlene Gänsebraten auftischen können? Eher doch nicht, denkt Richard, denn sonst hätte er längst schon vor der oder jener Bankfiliale 20 Mannschaftswagen sehen müssen und Polizisten in voller Montur, um die Manager, die Milliarden veruntreut haben, herauszutragen. Ja, denkt er, was hier vor sich geht, sieht wie Theater aus, und es ist auch Theater ist eine künstliche Front, die eine andere, wirklich existierende Front verdeckt. Das Publikum brüllt aufs Stichwort nach Opfern, und die Gladiatoren tragen aufs Stichwort ihr wirkliches Leben in die Arena. Hatte man ausgerechnet in Berlin schon wieder vergessen, dass eine Grenze sich nicht nur an der Größe des Gegners bemaß, sondern ihn auch erschuf?

Published June 4, 2019
Excerpted from Jenny Erpenbeck, Gehen, ging, gegangen, Albrecht Knaus Verlag, München 2015
© Albrecht Knaus Verlag, Division Verlagsgruppe, Random House, 2015

From Go, Went, Gone

Written in German by Jenny Erpenbeck


Translated into English by Susan Bernofsky

So a border, Richard thinks, can suddenly become visible, it can suddenly appear where a border never used to be: battles fought in recent years on the borders of Libya, or of Morocco or Niger, are now taking place in the middle of Berlin-Spandau. Where before there was only a building, a sidewalk, and everyday Berlin life, a border has suddenly sprouted, growing up quickly and going to seed, unforeseen as illness.

At the New Year’s Eve party, standing with his friend Peter on his girlfriend Marie’s friend’s balcony gazing out into the darkness of the old year about to become the darkness of the new, Peter told him that for the Incas the center of the universe wasn’t a point but a line where the two halves of the universe meet. Is this the scene unfolding before Richard’s eyes at the entrance to the asylum seekers’ residence? And are the two groups of people facing off here something like the two halves of a universe that actually belong together, but whose separation is nonetheless irrevocable? Is the rift dividing them in fact a bottomless chasm; is that why such powerful turbulences have been released? And is it a rift between Black and White? Or Poor and Rich? Stranger and Friend? Or between those whose fathers have died and those whose fathers are still alive? Or those with curly hair and those with straight? Those who call their dinner fufu and those who call it stew? Or those who like to wear yellow, red, and green t-shirts and those who prefer neckties? Or those who like to drink water and those who prefer beer? Or between speakers of one language and another? How many borders exist within a single universe? Or, to ask it differently, what is the one true, crucial border? Perhaps the border between what is dead and alive? Or between the stars and the lump of earth we walk on every day? Between one day and the next? Or between frogs and birds? Water and earth? Air filled with music and air with no music? The blackness of a shadow and the blackness of coal? Three-leaf and four-leaf clover? Fur and scales? Or millions of times over between inside and outside, when you consider a single human being or a single animal or plant as a universe unto itself ? Richard gets along well with his organs, he’s made his peace with the raw flesh of his interior that keeps him alive, not just him but also his thoughts — thoughts about the beauty of Helen, or the best way to slice an onion.

When taking all these possible borders into consideration, it seems to Richard that the difference between one person and another is in fact ridiculously small, and perhaps there isn’t any chasm opening up here at the entrance to the asylum seekers’ residence in Berlin. Perhaps on this level of the universe, there is no such thing as difference, there are no two halves — it’s just a matter of a few pigments in the material that’s known as skin in all the languages of the world, meaning that the violence on display here is not at all the harbinger of a storm in the center of a universe but is in fact due merely to an absurd misunderstanding that has been dividing humankind and preventing it from realizing how enormously long the lifespan of a planet is compared to the life and breath of any one human being. Whether you clothe your body in hand-me-down pants and jackets from a donation bin, brand-name sweaters, expensive or cheap dresses, or uniforms with a helmet and visor — underneath this clothing, every one of us is naked and must surely, let’s hope, have taken pleasure in sunshine and wind, in water and snow, have eaten or drunk this and that tasty thing, perhaps even have loved someone and been loved in return before dying one day. Enough grows and flows in this world to provide for all, and nonetheless — as Richard can clearly see, gazing at these twenty squad cars — a struggle for survival is apparently taking place here. Should he assume these police officers have been deployed to defend the interests of those Germans who are so poor that all they can serve up for the holidays is a stolen goose? Probably not, he thinks, otherwise he’d no doubt have seen these twenty squad cars parked in front of various bank branches and officers dressed in riot gear carting away the managers who’ve embezzled so many billions. Yes, he thinks, this spectacle unfolding before him looks like theater, and theater is all it is: an artificial front concealing the real front behind it. The audience bellows on cue, thirsting for sacrifice, and on cue the gladiators carry their own real lives into the arena. Have people forgotten in Berlin of all places that a border isn’t just measured by an opponent’s stature but in fact creates him?

Published June 4, 2019
Excerpted from Jenny Erpenbeck, Go, Went, Gone, New Directions 2017
Translation copyright © 2017 by Susan Bernofsky

From Voci del verbo andare

Written in German by Jenny Erpenbeck


Translated into Italian by Ada Vigliani

Un confine, pensa Richard, può dunque manifestarsi anche allimprovviso, può apparire allimprovviso in un luogo dove non ce nera mai stato uno ciò che negli ultimi anni era avvenuto ai confini della Libia oppure a quelli del Marocco o del Niger, adesso accadeva anche lì nel bel mezzo del quartiere di Spandau. Dove prima c’era solo una casa, un marciapiede, la quotidianità berlinese, adesso all’improvviso spunta un confine, e cresce a vista d’occhio, imprevisto come una malattia.

Alla cena di San Silvestro, mentre lui e il suo amico Peter erano entrambi sul balcone dellamica Marie e guardavano nelloscurità dellanno vecchio che sarebbe presto diventata loscurità di un anno nuovo, Peter gli aveva raccontato che per gli Inca il centro delluniverso non è un punto, bensì una linea, quella di confine tra le due metà delluniverso. Ciò che Richard vedeva lì allingresso del Centro per richiedenti asilo era forse, anchessa una linea del genere? E i due gruppi di persone che lì si fronteggiavano erano forse, anchessi, allincirca come le due metà di un universo, che in fondo si appartenevano, ma la cui separazione era ciò nondimeno insormontabile? Il fossato che li divideva era davvero di una profondità abissale ed è per questo che scatenava turbolenze così forti? E dove correva la linea divisoria? Tra nero e bianco? Oppure tra poveri e ricchi? O tra stranieri e amici? O fra coloro i cui padri non erano più in vita o coloro i cui padri ancora vivevano? O tra quelli con i capelli crespi e quelli con i capelli lisci? O tra quelli che chiamavano una certa pietanza Fufu e quelli che le davano il nome di Gulash? O fra coloro che amavano indossare T-shirt gialle, rosse e verdi e coloro che preferivano mettersi la cravatta? O tra quelli che amavano bere lacqua e quelli che preferivano la birra? O tra quelli che parlavano una lingua e quelli che ne parlavano unaltra? Ma quanti confini cerano in un solo universo? Altrimenti detto, qual era il confine vero, quello unico, decisivo? Magari quello tra vivo e morto? Quello tra il cielo stellato e la zolla di terra sulla quale lui va in giro tutti i giorni? Fra un giorno e laltro? Oppure quello tra le rane e gli uccelli? Fra lacqua e la terra? Fra laria in cui si ascolta la musica e laria senza la musica? Fra il nero di unombra e il nero della carbonella? Fra il trifoglio trilobato e quello quadrilobato? Fra il pelo e le squame? Oppure in milioni di casi quello tra interno ed esterno, qualora si considera di volta in volta come un universo a sé un unico essere umano, un unico animale o ununica pianta? Richard andava daccordo con i propri organi, aveva fatto la pace con la carne cruda delle sue viscere che teneva lui in vita, lui insieme con i suoi pensieri sulla bellezza di Elena, e sul modo migliore di affettare una cipolla.

Se si considerano tutti questi possibili confini, la differenza tra un uomo e laltro appare a Richard davvero irrilevante, e chissà, forse non c’è alcun fossato che si spalanca qui, dimprovviso, allingresso di un Centro berlinese per richiedenti asilo, e forse a questo livello delluniverso non ci sono differenze e non ci sono nemmeno le due metà, perché alla fin fine si tratta solo di qualche pigmento di quel materiale che in tutti gli uomini, ciascuno nella propria lingua, chiamano pelle, e allora la violenza che giusto qui si manifesta non sarebbe affatto premonitrice di una tempesta che si sta scatenando nel centro di un universo, ma nascerebbe solo da un equivoco assurdo, che spacca in due lumanità e le impedisce di capire quanto il respiro di un pianeta sia più lungo del respiro di un qualunque essere umano, che si indossino pantaloni e giacca facenti parte di una raccolta di indumenti usati, un pullover di marca, un vestito costoso o uno a buon mercato oppure una divisa con tanto di casco e visiera, sotto gli abiti alla fine siamo sempre nudi, magari ben che vada qualche volta ci capiterà di essere stati felici per il sole o il vento, per la neve o per lacqua, perché abbiamo mangiato o bevuto qualcosa di buono, perché abbiamo amato qualcuno e ne siamo stati riamati, prima di morire. Ciò che nel mondo cresce e scorre è di gran lunga sufficiente per tutti, eppure come Richard deduce dalla presenza delle venti camionette quella che ha luogo lì è, a quanto pare, una lotta per la sopravvivenza. La polizia qui si impegnerebbe dunque a favore di quei tedeschi talmente poveri che, per festeggiare, possono mettere in tavola solo oche arrosto rubate? Probabilmente no, pensa Richard, perché altrimenti, già da un pezzo, avrebbe dovuto vedere davanti a questa o a quellaltra filiale di una banca 20 camionette della polizia e poliziotti armati di tutto punto, che stanno portando fuori i manager colpevoli di malversazione per somme miliardarie. Sì, pensa, quello che accade qui, ricorda il teatro, e teatro lo è davvero un fronte finto, che ne nasconde un altro, quello che esiste nella realtà. Al segnale convenuto il pubblico reclama le vittime e, al segnale convenuto, i gladiatori portano la loro vita reale nellarena. Ci si era già dimenticati, e proprio a Berlino, che un confine non si commisurava solo sul formato dellavversario, ma creava questo stesso avversario?

Published June 4, 2019
Excerpted from Jenny Erpenbeck, Voci del verbo andare, Sellerio, Palermo 2016
© Sellerio 2016


Other
Languages
German
English
Italian

Your
Tools
Close Language
Close Language
Add Bookmark